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Doppelt belastet

In der Corona-Krise helfen Krankenpflege-Azubis in den Kliniken aus – auf Kosten ihrer Ausbildung, fürchten manche. Gibt es im Ausnahmezustand ein Recht auf Lernen?

In der Nacht zum 16. März war Marcel so sauer, dass er Jens Spahn eine E-Mail schrieb. Um zwei Uhr morgens sendete er sie ab. Er liebe seinen Beruf, schrieb Marcel, aber gerade sei er „perplex“, „erschüttert“, „traurig und verzweifelt“. Darüber, dass der Bundesgesundheitsminister zwar qualifiziertes Pflegepersonal fordere, Marcel und seine Kolleginnen und Kollegen nun aber einfach aus der Schule geholt und auf Station geschickt würden – ohne genauen Plan, wie sich das in ihre Ausbildung einfügen soll.

Marcel ist 21 Jahre alt und angehender Krankenpfleger, vor Kurzem hat sein drittes Ausbildungsjahr begonnen. Seine Mitschüler und er gehören zu jenen, die in der Coronakrise als Heldinnen gefeiert werden. Zugleich leiden sie besonders unter der aktuellen Situation: Wie Ärztinnen und examinierte, also fertig ausgebildete, Pflegekräfte arbeiten auch Pflegeschüler unter großer Anspannung, mit oft unzureichender Ausrüstung. Dazu kommt die Angst um ihre persönliche Zukunft: Wie andere Azubis fragen auch sie sich, was nun aus ihrem Unterricht, aus ihren Prüfungen wird. Kann Ausbildung im Ausnahmezustand überhaupt noch funktionieren? Weiterlesen auf bento.de

Bento, 17. April 2020

Was, wenn alle dicht machen?

In der Schweiz und in Österreich fürchten Spitäler, dass ihre Pfleger und Ärztinnen nicht mehr über die Grenze kommen

Von Barbara Achermann und Ruth Eisenreich

Normalerweise erhält Valérie Populin am Sonntag keine Anrufe von ihrem Chef. Aber dieses eine Mal eilte es, sehr sogar. Die Grenze zwischen der Schweiz und Frankreich könnte zugehen, fürchtete er. Nur eine Stunde später legte die Pflegefachfrau ihr Gepäck in den Kofferraum ihres Autos, umarmte ihren Mann, den sechsjährigen Sohn, die dreizehnjährige Tochter, setzte sich ans Steuer und fuhr von ihrem Haus im elsässischen Bartenheim nach Basel. Zwölf Kilometer, von Frankreich in die Schweiz.

Noch am selben Abend, es war der 15. März, checkte Populin ins Hotel Basel ein. „4 Sterne, wunderschöne Zimmer, aber einsam“, sagt die 41-jährige Pflegefachfrau, als wir sie am Telefon erreichen. Sie wohnt seit bald drei Wochen im Hotel. Tagsüber arbeitet sie im Universitätsspital, nach Feierabend könnte sie nach Hause ins Elsass fahren. „Aber“, sagt sie, „so fühle ich mich sicherer.“

Seit dem Ausbruch der Corona-Pandemie sind in Europa die Schlagbäume wieder unten und wurden neue Grenzzäune hochgezogen. Am stärksten betroffen sind davon Kleinstaaten wie Österreich und die Schweiz. Sie sind, neben Luxemburg, am stärksten auf Grenzgänger angewiesen. In die Schweiz kamen 2019 fast 330.000 Menschen über die Grenze zur Arbeit, nach Österreich reisten mindestens 194.000. Weiterlesen auf Zeit Online

Die Zeit, 2. April 2020

Helfe ich, oder gefährde ich?

Wie kann man zu älteren Menschen Abstand halten, wenn der eigene Beruf darin besteht, ihnen nahe zu kommen? Über Altenpflege in außergewöhnlichen Zeiten

Peter Kubik und Renate Schober sind ein eingespieltes Team. Er, mobiler Pfleger, 30 Jahre alt, gegelter Undercut, weißes Polohemd mit Rotkreuz-Logo. Sie, 95 Jahre alt, geistig noch fit, körperlich nicht mehr so. Zweimal pro Woche besucht er sie in ihrem Haus in Trumau im Wiener Speckgürtel, er hilft ihr beim Ausziehen und in die Duschkabine hinein, schrubbt ihr den Rücken, hilft ihr wieder aus der Dusche heraus. „Was gibt’s Neues in Trumau?“, fragt er, während er Hautcreme zwischen seinen Händen verreibt. „Eigentlich gar nix“, antwortet Frau Schober, sie steht vor dem Waschtisch und hält sich daran fest. „Meine Tochter ist schon hysterisch wegen dem Virus: Mama, dass’d ja niemandem ein Bussl gibst, du gehörst zur Risikogruppe.“ Peter Kubik cremt Frau Schobers Rücken ein. Ganz unrecht habe die Tochter nicht, wendet er ein. „Bei der Influenza sind viel mehr Leute gestorben“, sagt Frau Schober. Ein Blick zur Reporterin, sie frotzelt: „So, jetzt den BH. Beim Ausziehen tut er sich leichter, glaub ich.“

Es ist Mittwoch, der 11. März, die Corona-Krise rollt schon an, am Vortag hat die Regierung große Veranstaltungen verboten und die Schließung der Universitäten angekündigt. Aber noch ahnt kaum jemand, wie massiv das Virus das Leben in Österreich bald verändern wird. Weiterlesen auf Zeit Online

Die Zeit, 26. März 2020

Coronakrise: Wie Studierende versuchen, das Gesundheitssystem vor dem Kollaps zu bewahren

Das Gesundheitssystem droht an seine Grenzen zu stoßen. Angehende Mediziner wollen helfen – zu Tausenden.

Die Mühlen der Bürokratie mahlen schnell in diesen Tagen. Eine Stunde nachdem Anna Kurzeck ihre Bewerbung per Mail abgeschickt hat, läutet ihr Telefon, eine Frau von der Bezirksregierung ist dran: Wann sie denn anfangen könne?

Am selben Nachmittag, so erzählt die 25-jährige Medizinstudentin am Telefon, habe sie sich ins Auto gesetzt und sei von ihrem Elternhaus im oberpfälzischen Tirschenreuth zum Landratsamt gefahren, um ihren Vertrag zu unterschreiben. Gleich am nächsten Tag, es ist der Donnerstag vergangener Woche, habe sie mit der Arbeit im Gesundheitsamt begonnen: Kontaktpersonen von Coronavirus-Infizierten anrufen, zu Symptomen befragen und anhand eines Leitfadens entscheiden, ob sie in Quarantäne müssen und getestet werden. Zehn Stunden habe sie gearbeitet, sagt Anna. Am Freitag nochmal zehn. Zehn am Samstag, zehn am Montag, zehn am Dienstag. Weiterlesen auf Bento.de

Der Spiegel, 28. März 2020 / Bento, 29. März 2020

Trump, Strache und die tote Katze

Die Diskursforscherin Ruth Wodak erklärt die rhetorischen Tricks von Rechtspopulisten und was dagegen hilft

Donald Trump, Jair Bolsonaro, Boris Johnson: In aller Welt gewinnen rechtspopulistische und rechtsradikale Politiker Wahlen. Auch in Deutschland dominiert die AfD gesellschaftliche Debatten. Wie gelingt ihnen das, und warum wirken ihre politischen Gegnerinnen und Gegner oft so hilflos? Die Sprachwissenschaftlerin und Diskursforscherin Ruth Wodak, 69, kennt die Antworten.

ZEIT Campus: Frau Wodak, seit Jahren werden an Stammtischen und in den Medien die Themen der Rechten diskutiert: Migration, innere Sicherheit, „der Islam“. Woran liegt das?

Ruth Wodak: Dahinter steckt ein Muster: Rechte provozieren einen Skandal, andere Politikerinnen und Personen des öffentlichen Lebens müssen dazu Stellung nehmen. Wenn etwa der AfD-Chef Tino Chrupalla erklärt, der Begriff „Umvolkung“ sei nicht rechtsextrem, oder wenn sein Vorgänger Alexander Gauland den Nationalsozialismus einen „Vogelschiss“ in der deutschen Geschichte nennt, passiert das nicht zufällig. Diskutieren dann alle über die Aussage, können die Provokateure die Debatte umdefinieren.

ZEIT Campus: Was bedeutet das?

Wodak: Alle werfen ihnen ihren Tabubruch vor. Dann sagen sie etwa, sie seien falsch zitiert worden, sie stellen sich als Opfer einer Kampagne dar – bis zur nächsten Provokation. So treiben die Rechten die anderen Parteien und die Medien vor sich her. Andere Agenden werden abgedrängt. Ich bezeichne das als „rechtspopulistisches Perpetuum mobile“. Und weil sich das Muster sonst totläuft, werden die Sprüche immer krasser und aggressiver. Diese Dynamik muss durchbrochen werden. Weiterlesen auf Zeit Campus Online

Zeit Campus, 11. Februar 2020

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