Außen Minister

Und innen? Respektvoll, sagt sein alter Lehrer. Machtbesessen, sagen seine Gegner. Eigenschaften, die Sebastian Kurz zu Österreichs nächstem Kanzler machen könnten

Es ist nicht üblich in Österreich, dass Schüler bei der mündlichen Reifeprüfung eine Rede halten. Aber wenn Martin Neubauer, Geschichtslehrer am Gymnasium Erlgasse in Wien-Meidling, vom Talent eines Kandidaten überzeugt ist, dann stellt er ihm gern diese Aufgabe, das lockere den Prüfungstag ein bisschen auf. Der Schüler Sebastian Kurz aus der 8 B bekommt also, als er im Juni 2004 im Festsaal der Schule, einem großen, schlichten Raum mit hellem Holzboden, vor die Prüfungskommission tritt, folgende Aufgabe gestellt: Halte in der Rolle eines Offiziers des Ersten Weltkriegs eine Ansprache über den Friedensvertrag von Versailles. Er besteht die Prüfung mit der Note, die er gewohnt ist: sehr gut.

13 Jahre später führt Martin Neubauer durch das Gymnasium Erlgasse, einen klobigen Zwischenkriegsbau mit dicken Mauern, und denkt an den Schüler Kurz zurück. Ein „wohlerzogener, höflicher, respektvoller, wortgewandter“ Jugendlicher sei der Sebastian gewesen.

Hat Neubauer, der Geschichte und Politische Bildung lehrt, Kurz damals als politischen Menschen wahrgenommen? „Nein“, sagt Neubauer sofort. Er schüttelt den Kopf und sagt noch einmal: „Nein.“ Nie habe er seinem Schüler Sympathien für eine Partei angemerkt oder ihn bei einer hitzigen politischen Debatte erlebt. Dabei war der damals schon Mitglied der JVP, der Jugendorganisation der konservativen Österreichischen Volkspartei (ÖVP) – jener Partei, die das Land seit mittlerweile 30 Jahren mitregiert. Sie hielt am 1. Juli einen Bundesparteitag ab und wählte dort einen neuen Chef, mit 98,7 Prozent der Delegiertenstimmen. Sebastian Kurz. Weiterlesen bei Blendle

Der Tagesspiegel, 25.7.2017

Jung und hart

Österreichs junger Außenminister Sebastian Kurz hat sich mit Äußerungen über die Türkei viel Aufmerksamkeit verschafft. Gleichwohl muss er fürchten, in den Schatten des smarten Bundeskanzlers zu geraten.

Das Rampenlicht hat Sebastian Kurz immer schon gemocht. Aber die Frequenz, in der Österreichs Außenminister derzeit die internationale Öffentlichkeit mit ziemlich undiplomatischen Aussagen aufscheucht, ist selbst für seine Verhältnisse ungewöhnlich. Innerhalb von drei Wochen hat Kurz austrotürkischen Unterstützern von Recep Tayyip Erdoğan die Ausreise nahegelegt, sich öffentlich via Twitter mit dem türkischen Außenminister gestritten, das Flüchtlingsabkommen mit der Türkei für gescheitert erklärt; er hat zum wiederholten Mal gefordert, die EU solle Bootsflüchtlinge nach australischem Vorbild auf Inseln im Mittelmeer internieren, und er hat sein Veto im Ministerrat angekündigt, falls die EU weitere Kapitel in den Beitrittsverhandlungen mit der Türkei eröffnen will.

Dass Kurz so nach vorne prescht, hat innenpolitische Gründe. Aber es liegt weniger an der Bundespräsidentenwahl, deren zweite Runde im Oktober wiederholt wird – der Kandidat von Kurz‘ konservativer ÖVP ist längst aus dem Rennen. Es hat mehr zu tun mit dem neuen Bundeskanzler Christian Kern und mit Kurz‘ eigenen Ambitionen. Weiterlesen auf sueddeutsche.de

Süddeutsche Zeitung, 11.8.2016

 

„Was die ÖVP hier stark macht, ist ihre Unaufgeregtheit“

Hanno Loewy, Direktor des Jüdischen Museums Hohenems, über die Macht der Volkspartei und die Beschimpfungen der FPÖ

Drei Worte beendeten 2009 die 35 Jahre währende schwarzblaue Koalition in Vorarlberg: Als „Exiljuden aus Amerika“ hatte FPÖ-Landeschef Dieter Egger den in Deutschland geborenen Leiter des Jüdischen Museums Hohenems, Hanno Loewy, bezeichnet. Daraufhin flog er aus der Regierung. Am 21. September wählen die Vorarlberger den Landtag neu, Umfragen zufolge wird die ÖVP ihre absolute Mehrheit verlieren. Die FPÖ und vor allem die Grünen gelten als wahrscheinlichste zukünftige Koalitionspartner von ÖVP-Landeshauptmann Markus Wallner. Aus Anlass der Wahlen baten wir Hanno Loewy als aufmerksamen Beobachter des Geschehens, uns die derzeitige Lage im Ländle zu schildern. Weiterlesen »

„He, wir wurden nicht einmal gefragt!“

Sitzen hier zukünftige Kanzlerinnen und Minister? Fünf Jungpolitiker debattieren über Hoffnungen und Enttäuschungen in ihrem ersten Jahr als Volksvertreter

Herzliche Begrüßungen, Umarmungen mit Schulterklopfen, Scherze: Wenn die jüngsten Abgeordneten des Parlaments aufeinandertreffen, herrscht eine lockere Atmosphäre.

Noch nie in der österreichischen Geschichte gab es so viele Volksvertreter unter 30 wie heute. Acht sind es, fast alle sitzen erst seit Herbst im Nationalrat. Zum Ende ihres ersten Parlamentsjahres bat der Falter die jüngsten Neo-Abgeordneten von fünf Parteien (beim Team Stronach ist niemand unter 30) zum Gespräch über Ideale, Ernüchterungen und die alltägliche Arbeit im Parlament: Daniela Holzinger (26, SPÖ), Asdin El Habbassi (27, ÖVP), Petra Steger (26, FPÖ), Julian Schmid (25, Grüne) und Nikolaus Scherak (27, Neos). Weiterlesen »

Eine Grinsemaschine auf Tour – EU-Wahlkampfreportage #2

Othmar Karas hat 40 Jahre Übung im Wahlkämpfen. An arbeitslosen Jugendlichen scheitert aber auch er

Othmar Karas ist eine Wahlkampfmaschine. Händeschütteln, Lächeln. „Grüß Gott, ich bin Othmar Karas, Europaabgeordneter.“ Händeschütteln, Lächeln. „Grüß Gott, mein Name ist Othmar Karas, das auf dem Flyer bin ich.“ Weiterlesen »