Weit gegangen

Sie durchquerte halb Europa zu Fuß. Heute singt die Syrerin Heva Osman in einem Chor der Elbphilharmonie. Wie hat sie es geschafft, hier anzukommen?

Während die Felder und Dörfer Norddeutschlands vor dem Zugfenster vorbeifliegen, fragt sich Heva Osman, was sie wohl erwarten wird nachher im Schloss Bellevue. Wird sie etwas sagen müssen vor dem Bundespräsidenten? Das wäre „voll peinlich“, sagt sie. Wird sie singen dürfen für ihn? Das wäre „das Coolste, was man machen kann“.

Drei Jahre und einen Monat ist es an diesem Tag Ende Juni her, dass Norddeutschland zum allerersten Mal an Heva Osman vorbeiflog. Damals hatte sie keine Einladung mit goldgeprägtem Bundesadler in der Handtasche, sondern vom tagelangen Gehen völlig zerfetzte Turnschuhe an den Füßen. Und sie sah nichts von Norddeutschland, nicht die Felder, nicht die Wäldchen, nicht die Backsteinhäuser. Sie war vor Erschöpfung eingeschlafen, kaum dass sie in München im Zug saß. Weiterlesen auf Zeit Online

Zeit Magazin Hamburg, Herbst 2018

 

Eisern beim Vorhang

Gebete murmeln, rituelle Fußwaschungen: Nicht an der Hamburger Uni. Ein Verhaltenskodex zur Religionsausübung macht strenge Auflagen – und eine knifflige Lage erst richtig schwierig.

Womöglich hätte es nur eine Mail gebraucht, ein kurzes Gespräch und ein paar geänderte Worte in einem Dokument. Dann hätten die sechs Seiten Text, die die Uni Hamburg Mitte Oktober veröffentlichte, ihren Zweck erfüllt: zukünftige Konflikte lösen oder gar nicht erst entstehen lassen.

Stattdessen fühlen sich Studierende diskriminiert, die AfD ist besorgt, die Hochschulgemeinden sind sauer. Statt Konflikte zu lösen, hat Uni-Präsident Dieter Lenzen mit einer guten Idee neue erzeugt. Weiterlesen auf Zeit Online

Die Zeit, 2. November 2017

 

Ausgesondert

Experten fordern die Abschaffung der Sonderschulen. Ist das wirklich ein Fortschritt?

Petra Scerba ist ein Elefant. Mit der rechten Hand berührt das Mädchen im roten Jäckchen seine Nase, den linken Arm hat es als Rüssel durch die rechte Armbeuge gestreckt. „Elefanten, Elefanten / sanfte Riesen grau in grau / tanzen gerne nur zur Trommel / hören jeden Ton genau“, singt der Musiktherapeut, und Petra und ihre Mitschüler gehen im Takt im Kreis, klatschen, drehen sich und schwingen ihre Rüssel. Nicht alle tun das von alleine: Eine Betreuerin bewegt die Hände eines Buben, die andere versucht, einen zweiten zum Aufstehen zu bewegen. Plötzlich läuft ein dritter Bub zur Tür, öffnet sie, die Betreuerin stürzt ihm nach, auf dem Gang fängt sie ihn ein. Sechs Kinder halten drei Erwachsene auf Trab: Alltag in der ersten Klasse der Sonderschule Leopoldsgasse.

Solche Szenen könnten in Zukunft seltener werden. Politiker wie ÖVP-Behindertensprecher Franz-Joseph Huainigg fordern eine Abschaffung der Sonderschule; Kinder wie Petra sollen dann ausnahmslos in Integrationsklassen kommen, wo sie gemeinsam mit nichtbehinderten Kindern unterrichtet werden. Weiterlesen »

Die Akademie der Verdrängenden Künste

Nationalsozialisten als Ehrenmitglieder, die Büste eines Nazi-Dichters vor dem Gebäude, Hakenkreuze am Boden der Aula: Hat die Akademie der Bildenden Künste ihre Rolle im Nationalsozialismus ausreichend aufgearbeitet?

„Die kommissarische Führung der Akademie hat zu ihrem größten Befremden wahrgenommen, daß der Schillerplatz als Aufenthaltsort für die Juden freigegeben wurde. Ausgerechnet unter unserem Schillerdenkmal, welches jeden volksbewußten Deutschen mit Ehrfurcht vor unserem größten Dichter gemahnt, sitzen jetzt tagsüber auf den Bänken dichtgedrängt die unliebsamen Fremden.“. Das schreibt die Leitung der Akademie der Bildenden Künste im Dezember 1938 an Hanns Blaschke, Wiener Vizebürgermeister und Leiter des Kulturamts, und fordert: „Schillerplatz soll judenfrei werden.“ Weiterlesen »