Sie kämpft gegen die Macho-Medizin

Alexandra Kautzky-Willer hat aus der Gendermedizin eine anerkannte Disziplin gemacht. Davon profitieren häufig auch Männer.

Ein Vormittag mit Alexandra Kautzky-Willer in ihrer Ambulanz, das ist eine Tour durch das ganze Spektrum an Beschwerden, die ein Frauenleben mit sich bringen kann. Schwangerschaftsdiabetes. Brustkrebs. Autoimmunerkrankungen. Schilddrüsenprobleme. Depressionen. Panikattacken. Blasenentzündungen.

Kautzky-Willer behandelt heute nur noch die komplexen Fälle persönlich, drei Frauen haben an diesem Vormittag einen Termin bei ihr in der Diabetesambulanz im Wiener Allgemeinen Krankenhaus (AKH). Den Großteil ihres Arbeitslebens verbringt die Professorin damit, wissenschaftliche Publikationen zu schreiben und zu begutachten, Doktorandinnen zu betreuen, an Besprechungen teilzunehmen. Denn die 58-Jährige leitet nicht nur die Abteilung für Endokrinologie und Stoffwechsel sowie interimistisch eine der drei Universitätskliniken für Innere Medizin an der Medizinischen Universität Wien. Alexandra Kautzky-Willer ist auch die Pionierin der Gendermedizin in Österreich. Weiterlesen auf Zeit Online

Die Zeit, 3. September 2020

„So was kann man mit uns Frauen nicht machen“

Jolanda Spiess-Hegglin galt als Hoffnung der Schweizer Grünen – bis sie in einen gigantischen Shitstorm geriet. Heute hilft sie anderen gegen den Hass im Netz

„Letzter Abschaum“, „sollte man an eine Wand stellen“: Das sind nur zwei der harmloseren Beschimpfungen, mit denen Internet-Trolle gegen Jolanda Spiess-Hegglin hetzten. Einen Strafantrag schreibt die 38-Jährige heute in Minuten. Etwa 200 hat sie bisher gestellt, gut die Hälfte an ihre „eigenen“ Hater, den Rest für andere Betroffene. Denn der Kampf gegen den Hass im Netz ist seit drei Jahren das Lebensthema der Schweizer Ex-Politikerin: Sie will andere vor dem schützen, was sie selbst durchgemacht hat.

Ende 2014 wachte die dreifache Mutter, damals Grünen-Abgeordnete im Schweizer Kanton Zug, nach einer Feier der lokalen Politprominenz mit Unterleibsschmerzen und ohne Erinnerung auf. Im Krankenhaus äußerte sie den Verdacht, sie sei mit K.O.-Tropfen betäubt und vergewaltigt worden; als möglichen Täter nannte sie den SVP-Politiker Markus Hürlimann. Die Klinik informierte die Polizei; kurz darauf berichtete die Boulevardzeitung „Blick“ über den Fall, mit Namen und Fotos der beiden.

Von da an gab es kein Halten mehr: Der Boulevard, aber auch seriöse Medien stürzten sich auf die Geschichte – und auf Spiess-Hegglin. Weiterlesen »

Weit gegangen

Sie durchquerte halb Europa zu Fuß. Heute singt die Syrerin Heva Osman in einem Chor der Elbphilharmonie. Wie hat sie es geschafft, hier anzukommen?

Während die Felder und Dörfer Norddeutschlands vor dem Zugfenster vorbeifliegen, fragt sich Heva Osman, was sie wohl erwarten wird nachher im Schloss Bellevue. Wird sie etwas sagen müssen vor dem Bundespräsidenten? Das wäre „voll peinlich“, sagt sie. Wird sie singen dürfen für ihn? Das wäre „das Coolste, was man machen kann“.

Drei Jahre und einen Monat ist es an diesem Tag Ende Juni her, dass Norddeutschland zum allerersten Mal an Heva Osman vorbeiflog. Damals hatte sie keine Einladung mit goldgeprägtem Bundesadler in der Handtasche, sondern vom tagelangen Gehen völlig zerfetzte Turnschuhe an den Füßen. Und sie sah nichts von Norddeutschland, nicht die Felder, nicht die Wäldchen, nicht die Backsteinhäuser. Sie war vor Erschöpfung eingeschlafen, kaum dass sie in München im Zug saß. Weiterlesen auf Zeit Online

Zeit Magazin Hamburg, Herbst 2018

 

Außen Minister

Und innen? Respektvoll, sagt sein alter Lehrer. Machtbesessen, sagen seine Gegner. Eigenschaften, die Sebastian Kurz zu Österreichs nächstem Kanzler machen könnten

Es ist nicht üblich in Österreich, dass Schüler bei der mündlichen Reifeprüfung eine Rede halten. Aber wenn Martin Neubauer, Geschichtslehrer am Gymnasium Erlgasse in Wien-Meidling, vom Talent eines Kandidaten überzeugt ist, dann stellt er ihm gern diese Aufgabe, das lockere den Prüfungstag ein bisschen auf. Der Schüler Sebastian Kurz aus der 8 B bekommt also, als er im Juni 2004 im Festsaal der Schule, einem großen, schlichten Raum mit hellem Holzboden, vor die Prüfungskommission tritt, folgende Aufgabe gestellt: Halte in der Rolle eines Offiziers des Ersten Weltkriegs eine Ansprache über den Friedensvertrag von Versailles. Er besteht die Prüfung mit der Note, die er gewohnt ist: sehr gut.

13 Jahre später führt Martin Neubauer durch das Gymnasium Erlgasse, einen klobigen Zwischenkriegsbau mit dicken Mauern, und denkt an den Schüler Kurz zurück. Ein „wohlerzogener, höflicher, respektvoller, wortgewandter“ Jugendlicher sei der Sebastian gewesen.

Hat Neubauer, der Geschichte und Politische Bildung lehrt, Kurz damals als politischen Menschen wahrgenommen? „Nein“, sagt Neubauer sofort. Er schüttelt den Kopf und sagt noch einmal: „Nein.“ Nie habe er seinem Schüler Sympathien für eine Partei angemerkt oder ihn bei einer hitzigen politischen Debatte erlebt. Dabei war der damals schon Mitglied der JVP, der Jugendorganisation der konservativen Österreichischen Volkspartei (ÖVP) – jener Partei, die das Land seit mittlerweile 30 Jahren mitregiert. Sie hielt am 1. Juli einen Bundesparteitag ab und wählte dort einen neuen Chef, mit 98,7 Prozent der Delegiertenstimmen. Sebastian Kurz. Weiterlesen bei Blendle

Der Tagesspiegel, 25.7.2017

Der letzte Zeuge

In Österreich kennt ihn jedes Schulkind. Auch wegen seines schwarzen Humors. Marko Feingold ist 103 Jahre alt, hat den Holocaust überlebt. Nun kämpft er gegen Antisemitismus – und ist selbst nicht frei von Vorurteilen.

 

Als Marko Feingold 100 Jahre alt wurde, hat er sich vorgenommen, nur noch einmal am Tag öffentlich aufzutreten. Zu viele Vorträge, zu viele Interviews. Mittags wird er dann oft müde. Aber manchmal hilft es nichts. Die Zeiten sind gerade nicht danach, dass einer wie er ruhen könnte.

Und so steht er an einem eisigen Morgen Anfang Dezember am Milchglasfenster der Salzburger Synagoge und schaut abwechselnd nach draußen in den Vorgarten und auf die von einem Davidstern umrandete Uhr an der Wand. Die Uhr zeigt 9.32 Uhr. Die Schulklasse sollte jetzt da sein, ist sie nicht. In einer Stunde muss Feingold aber schon zum Zug, nach Wien zur Sitzung des antifaschistischen Vereins, in dessen Vorstand er sitzt. Wer sich die Weltlage anschaut, ahnt, dass es viel zu besprechen gibt. Weiterlesen bei Blendle

Der Tagesspiegel, 18.12.2016