Hunderttausende Migranten leben ohne Papiere in Deutschland. Werden Sie krank, trauen sie sich kaum zum Arzt – und gehen dabei ein hohes gesundheitliches Risiko ein.
Da war zum Beispiel der 13-Jährige, der einfach verschwand. Tagelang hatte er Bauchschmerzen und Fieber, die Familie versuchte es mit Wärmflasche und Schmerztabletten, dann endlich brachte der Vater ihn ins Krankenhaus, erzählt der Kinderarzt Alex Rosen. Diagnose: Schwere Blinddarmentzündung. Der Junge wurde notoperiert. „Nach der Operation kann einiges schiefgehen“, sagt Rosen, „deshalb liegt man noch ein paar Tage im Krankenhaus und bekommt Antibiotika.“ Aber einen Tag später war der Junge weg. „Er hatte wohl Angst, dass am nächsten Tag die Polizei mit Stempelkissen für die Fingerabdrücke vor der Tür steht“, sagt Rosen. „In anderen Krankenhäusern kommt das vor.“
Dann hätte der ganzen Familie die Abschiebung gedroht. Denn der Junge war ein undokumentierter Migrant. So nennt man Menschen, die ohne Wissen der Behörden in Deutschland leben – weil sie heimlich eingereist sind, weil sie bleiben, wenn ihr Visum abläuft oder weil ihr Asylantrag abgelehnt wurde. Hunderttausende Menschen ohne Papiere leben Schätzungen zufolge in Deutschland, darunter bis zu 30 000 Kinder, manche sind hier geboren. Weiterlesen auf sueddeutsche.de
Süddeutsche Zeitung, 13.5.2016