Eisern beim Vorhang

Gebete murmeln, rituelle Fußwaschungen: Nicht an der Hamburger Uni. Ein Verhaltenskodex zur Religionsausübung macht strenge Auflagen – und eine knifflige Lage erst richtig schwierig.

Womöglich hätte es nur eine Mail gebraucht, ein kurzes Gespräch und ein paar geänderte Worte in einem Dokument. Dann hätten die sechs Seiten Text, die die Uni Hamburg Mitte Oktober veröffentlichte, ihren Zweck erfüllt: zukünftige Konflikte lösen oder gar nicht erst entstehen lassen.

Stattdessen fühlen sich Studierende diskriminiert, die AfD ist besorgt, die Hochschulgemeinden sind sauer. Statt Konflikte zu lösen, hat Uni-Präsident Dieter Lenzen mit einer guten Idee neue erzeugt. Weiterlesen auf Zeit Online

Die Zeit, 2. November 2017

 

Radikale Hügeljugend

Israel ist entsetzt über nationalreligiöse Siedler, die auch vor Gewalt nicht zurückschrecken. Die Atmosphäre ist aufgeheizt – nun will die Regierung gegen jüdische Terrorgruppen härter durchgreifen.

In Jerusalem wird ein 16-jähriges Mädchen bei einer Homosexuellen-Parade erstochen, im Westjordanland stirbt ein 18 Monate alter palästinensischer Junge bei einem Brandanschlag. Die Täter sind offenbar Menschen, die sich als gläubige Juden sehen, sich aber um die zehn Gebote nicht scheren. Als Israels Präsident Reuven Rivlin die Anschläge scharf kritisiert, erhält er Morddrohungen.

Der Jerusalemer Täter kommt aus einer anderen Strömung in der israelischen Gesellschaft als die mutmaßlichen Brandstifter. Er ist wohl ein Einzeltäter, erst vor Kurzem wurde er aus dem Gefängnis entlassen: Schon 2005 hatte er bei der Gay Pride Parade drei Menschen verletzt. Er ist ein Charedi, ein Ultraorthodoxer. Die Charedim machen Schätzungen zufolge knapp zehn Prozent der Bevölkerung aus und leben – ob in Israel oder außerhalb – in abgeschotteten Gemeinschaften streng nach den jüdischen Gesetzen. Traditionell lehnten sie den Staat Israel ab, weil die Juden ihrer Ansicht nach das gelobte Land erst nach der Ankunft des Messias wieder in Besitz nehmen dürften. Weiterlesen auf sueddeutsche.de

Süddeutsche Zeitung, 6.8.2015

Lösen wir das ohne den Strafrichter – Kommentar

Man kann gegen die Beschneidung von Buben kämpfen, ohne gleich nach Verboten rufen zu müssen

Der Tonfall der seit Wochen in Österreich schwelenden Beschneidungsdebatte ist wohl kaum anders zu bezeichnen als hysterisch. Da beschuldigt die eine Seite die andere der „Vergewaltigung der Religionsfreiheit“ und behauptet, die männliche Beschneidung sei mit der weiblichen Genitalverstümmelung vergleichbar (mit einer Praxis also, deren Zweck einzig darin besteht, Frauen jegliche sexuelle Lust zu nehmen, und die ihnen Regelblutung, Sex und Geburt zur Hölle macht); auf der anderen Seite feiert die Reductio ad Hitlerum fröhliche Urständ’, wenn Beschneidungskritiker mit hochrangigen Nazis verglichen und ein Beschneidungsverbot als „der Versuch einer neuen Shoah“ bezeichnet wird.

Im Falter schrieb die Rechtsanwältin Eva Plaz vergangene Woche, dass die Beschneidung von Buben ohne medizinische Gründe „unrecht“ sei und gesetzlich verboten gehöre.

Interessanterweise vertreten dies vor allem Nichtbetroffene, also Christen und Atheisten. Diejenigen, denen in ihrer Kindheit eine rituelle Beschneidung „angetan“ wurde, sprechen sich fast durchgehend gegen ein Verbot aus; unter ihnen sind nicht nur religiöse Fanatiker, sondern auch säkulare Juden und Muslime. Aber die Nichtbetroffenen sind überzeugt zu wissen, was das Beste für die anderen ist – für jene, die die Beschneidung sicher nur deshalb verteidigen, weil sie sich ihre eigene tiefe Traumatisierung nicht eingestehen können.Weiterlesen »

Der Fall Placidus

Ein Jünger Hans Hermann Groërs stürzt sich vom Turm seines Klosters. 26 Jahre später fragt seine Schwester: Warum?

Festungsgleich liegt das Benediktinerstift Göttweig auf einem Hügel über der Wachau. Zuerst taucht ein gelber Zwiebelturm zwischen den Baumwipfeln auf, dann eine meterhohe Steinmauer. Von den Fenstern der Türme aus überblickt man Felder und Dörfer, die Donau schlängelt sich durch das Tal.

Aus einem dieser Fenster sprang vor 26 Jahren, am 2. Jänner 1986, ein junger Mann. Andreas Kubalek hieß er, mit Ordensnamen Frater Placidus. 22 Jahre alt, schwer depressiv, glühender Anhänger des pädophilen späteren Kardinals Hans Hermann Groër.

Ein Vierteljahrhundert später sitzt seine Stiefschwester Elisabeth Weidenthaler in einem Wiener Innenstadtcafé und spricht von gierigen Äbten, geheimen Konten und verschollenen Akten. Wer ihre Geschichte hört, der denkt unweigerlich an Umberto Ecos Roman „Der Name der Rose“.Weiterlesen »