Wie viel Geld kassieren Parteien über ihnen nahe stehende Zeitungen von der Glücksspielindustrie?
Inseratenrecherche: Ruth Eisenreich, Peter Sim
„Oft genügt ein einfacher Impuls, um Dinge in Bewegung zu bringen. (…) Novomatic setzt daher gerade jetzt Impulse.“ Fast könnte man meinen, das Glücksspielunternehmen Novomatic spräche hier von seiner eigenen Lobbyingstrategie. Doch dieses Inserat, das im Frühling 2009 im SPÖ-nahen VOR-Magazin erschien, bewarb das von Novomatic gesponserte Tanzfestival Impulstanz.
Seit Jahren wird diskutiert, ob und in welcher Form Glücksspielunternehmen versuchen, durch finanzielle Zuwendungen an Parteien oder vorgelagerte Organisationen und Unternehmen die Gesetzgebung zu beeinflussen oder zumindest für wohlwollende Stimmung zu sorgen. Zahlungen an Lobbyisten und „Studien“-Aufträge an parteinahe Werbefirmen (BZÖ) sind mittlerweile amtsbekannt. Doch ist das alles?
Der Falter hat bei Novomatic und den Casinos Austria sowie bei SPÖ, ÖVP, FPÖ, BZÖ und den Grünen angefragt, ob es in den letzten Jahren Geldflüsse von Glücksspielkonzernen zu Parteizeitungen gegeben hat.
„Wir machen keinen Hehl daraus, dass wir auch in Parteimedien schalten“, sagt Martin Himmelbauer, Sprecher der Casinos Austria. „Nicht, um der Partei Geld zu geben, sondern weil wir mit unseren Inseraten Leute erreichen.“ Der Anteil für Werbung in Parteizeitungen am Werbebudget der Casinos liege „im Promillebereich“, sagt Himmelbauer – genaue Zahlen dazu habe er aber nicht. Auch Hannes Reichmann, Sprecher des privaten Automatenproduzenten Novomatic, begründet Inserate seiner Firma in Parteimedien mit deren „zum Teil beträchtlichen Reichweiten“. Zahlen will auch er aus Wettbewerbsgründen nicht nennen.
Im Gegensatz zu den Unternehmen haben fast alle Parteien auf die Falter-Anfrage nicht reagiert. Einzige Ausnahme: die Grünen, die laut Bundesgeschäftsführer Stefan Wallner „weder direkte noch indirekte Unterstützung in Form von Spenden, Inseraten oder Ähnlichem von Glücksspielunternehmen erhalten“ haben wollen.
Die Auskunftsfreudigkeit der Parteien hält sich also in Grenzen. Eventuelle Parteispenden lassen sich daher nur schwer eruieren, „oder Ähnliches“ noch schwerer. Das Inseratenaufkommen eines Unternehmens in einer bestimmten Publikation jedoch lässt sich nachvollziehen – sämtliche in Österreich erschienene Medien sind in der Österreichischen Nationalbibliothek verfügbar, die Inseratentarife lassen sich üblicherweise telefonisch erfragen.
Der Falter hat das Inseratenaufkommen von Glücksspielunternehmen in parteinahen Medien seit 2006 untersucht. Berücksichtigt wurden bei den Recherchen nicht nur Publikationen im direkten Besitz der jeweiligen Partei, sondern auch solche, bei denen ein Naheverhältnis zu einer Partei feststellbar ist – beispielsweise das VOR-Magazin, das dem SPÖ-nahen Echo Medienhaus gehört, oder die Bezirksrevue, deren Herausgeber Wolfgang Kasic für die ÖVP im steirischen Landtag sitzt (der Falter berichtete bereits über seine Beziehungen zur Glücksspielindustrie).
Das Ergebnis: Mindestens 500.000 Euro, so ergibt eine Falter-Schätzung, haben Novomatic und Tochter Admiral seit 2006 für Anzeigen in parteinahen Medien ausgegeben, mindestens 700.000 die Casinos Austria und ihre Tochterfirma Österreichische Lotterien.
Was auffällt: Novomatic hat besonders in der Neuen Freien Zeitung der FPÖ geworben, die Casinos und Lotterien vor allem in der ÖVP-Zeitschrift Austria Plus und in anderen ÖVP-nahen Publikationen wie dem ÖAAB-Magazin Freiheit.
Nur die Grünen und das BZÖ hatten den Falter-Recherchen zufolge in den letzten Jahren keine Einnahmen durch Inserate von Glücksspielunternehmen. Dem BZÖ, das keine Parteizeitung besitzt, haben die Österreichischen Lotterien allerdings im Jahr 2006 300.000 Euro für die Erstellung einer zehnseitigen „Studie“ mit dem Titel „Responsible Gaming“ überwiesen – wohl ein Fall von verdeckter Parteienfinanzierung.
Seit 2006 wurde eine Novelle des Glücksspielgesetzes diskutiert, die einheitliche Regelungen für das Glücksspiel bringen und den Spielerschutz verbessern sollte. Gleichzeitig wurde der zulässige Höchsteinsatz an Spielautomaten von 50 Cent auf zehn Euro verzwanzigfacht.
Von 2006 bis 2010, so zeigt die Falter-Recherche, haben Glücksspielunternehmen also um geschätzte 1,2 Millionen Euro in SPÖ-, ÖVP- und FPÖ-nahen Medien inseriert. 2010 wurde die Novelle des Glücksspielgesetzes mit den Stimmen aller Parteien außer jenen der Grünen beschlossen.
Falter, 8.6.2011