Seit 18 Jahren ist der Nordirlandkonflikt vorbei. Offiziell. Tatsächlich haben Protestanten und Katholiken nie wirklich Frieden geschlossen. Und der Brexit droht alles wieder schlimmer zu machen.
Wenn das hier eine normale Stadt wäre, dann würden sich Simon Rea und Ann Lynch gut kennen. Dann würden sie einander über den Zaun hinweg grüßen, wenn sie gleichzeitig in ihren Gärten sind, sie würden einander mit Mehl oder Milch aushelfen, und wahrscheinlich würde Ann Lynch ihren Nachbarn in jedem zweiten Satz «Love» nennen, wie Frauen das hier eben so tun.
Aber das hier ist Belfast, Simon Rea ist Protestant, und Ann Lynch ist Katholikin. Deshalb kennen sie sich nicht, und auch wenn sie wollten, könnten sie einander nicht über den Zaun hinweg grüßen. Denn der Zaun, der ihre Gärten trennt, ist neun Meter hoch, sechs Meter grünes Wellblech, darüber drei Meter Metallgitter.
Auf 750 Metern Länge trennt er die Häuser in der Alliance Avenue im katholischen Viertel Ardoyne von denen im protestantischen Glenbryn. Die einzige Quergasse, die beide Seiten einmal verband, endet heute abrupt am grünen Wellblech.
Seit achtzehn Jahren ist der Nordirlandkonflikt offiziell zu Ende. Aber bis heute leben Katholiken und Protestanten fast völlig voneinander getrennt. Sie wohnen in unterschiedlichen Vierteln, ihre Kinder lernen in unterschiedlichen Schulen, und Dutzende von Mauern und Zäune zerhacken Belfast.
«Peace Walls», Friedensmauern, heißen sie. Die Regierung würde gern alle Mauern bis 2023 abreißen. Die Bewohner der betroffenen Viertel wollen sie behalten. Weiterlesen auf nzz.ch
NZZ am Sonntag, 19.2.2017