Von Stalkern und Bettnässern

Der Kurier-Chef zieht gegen den Herausgeber von Österreich vor Gericht – und umgekehrt. Es geht auch um die Bestechlichkeit des Boulevards

Ganz wohl fühlt sich Helmut Brandstätters Anwalt nicht. Gerade erst haben er und sein Mandant Zimmer 1911 des Wiener Handelsgerichts verlassen, in dem der Kurier-Chefredakteur zu einer unvorsichtigen Aussage Stellung nehmen musste; jetzt wollen sie nicht gleich die nächste Klage riskieren.

Also suchen Brandstätter und sein Anwalt bei einem Mineralwasser in der Cafeteria möglichst unverfängliche Formulierungen: „Er verkauft Anzeigen mit Methoden, die in der Branche immer wieder diskutiert werden – so kann man das ausdrücken, oder?“

Er, das ist der Mann, der ihnen diesen morgendlichen Gerichtstermin beschert hat: Wolfgang Fellner, Herausgeber der Tageszeitung Österreich.

Fellner hat Brandstätter auf Unterlassung und 50.000 Euro geklagt, weil dieser bei einer Podiumsdiskussion sagte, dass „Dreck sich nicht verkauft“ und daher verschenkt werden müsse.

Ein derstandard.at-Journalist interpretierte den Satz in seinem Bericht über die Diskussion als Stichelei gegen Österreich; Brandstätter hingegen behauptet in seiner Vernehmung, er habe ganz allgemein von einer Entwicklung in der Medienlandschaft gesprochen: „Ich finde es lustig, dass Fellner beim Wort ‚Dreck‘ seine Zeitung angesprochen sieht.“

Das Urteil in dem Fall steht noch aus, aber die Causa Dreck ist sowieso nur ein Nebenschauplatz einer größeren Konfrontation. Seit Monaten überhäufen Brandstätter und Fellner einander mit – meist erfolglosen – Klagen. Ein Auszug aus den (großteils nicht rechtskräftigen) Urteilen der letzten Monate:

Brandstätter stellt in einem Onlinevideo einen Zusammenhang zwischen einem positiven Bericht über Bundeskanzler Faymann und einem Inserat des Bundeskanzleramts in Österreich her: „Vorne ein Lob für den Kanzler, hinten Geld für die Zeitung.“ Fellner klagt und verliert.

Österreich bezeichnet Brandstätter als „journalistischen Bettnässer“, der die Konkurrenz „anpinkle“. Brandstätter klagt und verliert.

Österreich behauptet, der Kurier-Chef habe den ÖBB ein Lobbyingangebot gemacht. Brandstätter will eine Gegendarstellung; das Gericht weist dies ab, erlässt aber eine einstweilige Verfügung, laut der Österreich seine Behauptung nicht mehr wiederholen darf. Als die Zeitung das in einem Bericht über den Prozess trotzdem tut, muss sie 35.000 Euro Strafe zahlen.

Brandstätter wirft Fellner vor, im Zusammenhang mit der Lobbyingbehauptung „ein gefälschtes Dokument“ abgedruckt zu haben. Fellner klagt und verliert.

Nun wird im Medienbereich, gerade bei den Boulevardmedien, immer wieder mit harten Bandagen gekämpft – aber so heftig wie im Streit Fellner gegen Brandstätter geht es selten zu.

Seit langem berichtet der Kurier, der zur Hälfte der ÖVP-nahen Raiffeisen gehört, ausführlich über die Inseratenaffäre, in der gegen Bundeskanzler Werner Faymann und Medienstaatssekretär Josef Ostermayer (beide SPÖ) ermittelt wird. Brandstätter kritisiert Fellner dabei heftig: Der setze Firmen unter Druck, um an Inserate zu gelangen.

Das Medientransparenzgesetz, das Anfang Juli in Kraft trat, sieht Helmut Brandstätter daher als Erfolg seiner Berichterstattung – und als den Grund für Fellners Attacken. „Das Gesetz kostet ihn Millionen, ich verstehe, dass er mich hasst“, sagt er, „aber Fellner kennt keine Grenzen.“ Dann fragt er seinen Anwalt: „Darf ich sagen, ich fühle mich subjektiv gestalkt?“

Fellner suche überall Möglichkeiten, ihn anzugreifen, sagt Brandstätter. Er habe Leute über ihn ausgefragt, den damaligen Raiffeisen-Chef Christian Konrad aufgefordert, Brandstätter zu entlassen (Konrad dementiert das dem Falter gegenüber) und auch Brandstätters Ehefrau medial attackiert.

Wolfgang Fellner sieht die Sache – wenig überraschend – anders: „Es ist genau umgekehrt“, schreibt er in einem E-Mail an den Falter: „Seitdem Österreich über die Lobbying- und Beratungsaufträge von Herrn Brandstätter berichtet hat, führt der Kurier eine massive Kampagne gegen mich und Österreich.“

Falter, 5.9.2012

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