Pavillon 15: Wie die Stadt Wien die Aufarbeitung schwerster Vorwürfe unterlässt

Netzbetten, Zwangsjacken, Medikamente im Brei: Ende Mai berichtete die ehemalige Mitarbeiterin Elisabeth Pohl im Falter, wie am Steinhof noch in den 1980er-Jahren behinderte Kinder vernachlässigt und gequält wurden. Aus dem Büro von Sozialstadträtin Sonja Wehsely (SPÖ) hieß es damals, man wisse nichts von den Ereignissen im Pavillon 15 des heutigen Otto-Wagner-Spitals, werde sich aber um eine Aufarbeitung bemühen. Tatsächlich richtete der zuständige Wiener Krankenanstaltenverbund (KAV) bald eine Arbeitsgruppe ein. Eine interne allerdings, was die Stadtopposition misstrauisch machte: Die ÖVP forderte – erfolglos – eine unabhängige Expertenkommission.

Vier Monate sind inzwischen vergangenwas hat die Arbeitsgruppe weitergebracht?Bisher gebe es „keinen Anhaltspunkt oder Hinweis darauf, dass der Umgang mit den Patientinnen damals nicht den medizinischen und pflegerischen Standards entsprochen hat – immer den damaligen gesellschaftlichen und rechtlichen Hintergrund vor Augen habend“, heißt es in einer Stellungnahme des KAV an den Falter. Dass noch in den 1980ern die Grundrechte behinderter Menschen in Österreich generell oft missachtet wurden, hatte Pohl dem Falter bereits im Mai geschildert.

In der Stellungnahme des KAV heißt es weiters, es seien bisher vier E-Mails und drei Anrufe zu dem Thema eingelangt, die meisten Absender hätten eine Einladung zu einem Gespräch dann aber nicht angenommen. Man bemühe sich trotzdem weiterhin um Aussagen von Zeitzeugen und recherchiere in den Archiven des KAV. Auch mit Elisabeth Pohl habe man „ein ausführliches Gespräch geführt“.

Davon weiß Pohl selbst jedoch nichts. Nachdem die Arbeitsgruppe sie zunächst nicht kontaktiert habe, sagt Pohl, habe sie sich aus eigenem Antrieb gemeldet und erklärt, ihre Erlebnisse zu schildern, Namen weiterer Zeitzeugen zu nennen und Hinweise auf Krankengeschichten zu geben. „Das war’s dann“, sagt Pohl: „Was ich damals dort erzählt habe, wurde von niemandem mitgeschrieben.“ Man habe ihr angekündigt, sich noch einmal bei ihr zu melden, jedoch: „Bis heute hat das niemand getan. Meine Mails blieben unbeantwortet.“

Falter, 9.10.2013

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