„Strache kommt“, steht auf den Plakaten. Dabei heißt der EU-Spitzenkandidat der FPÖ Harald Vilimsky
Wahlkampf im Weinviertel: Auf dem Parkplatz vor dem Mistelbacher Rathaus steht ein Traktor, der Traktor hat einen Anhänger, auf dem Anhänger sind ein Rednerpult und eine Soundanlage aufgebaut. Davor hängen zwei kleine Plakate. „HC Strache kommt!“, steht darauf, „Mittwoch, 7. Mai, ab 12 Uhr“.
Eine Blaskapelle spielt, es riecht nach Würsteln, auf Heurigentischen stehen 5-Liter-Plastikkübel mit Senf und Ketchup, es gibt Mineralwasser aus Plastikbechern und Flaschenbier. Auf den blitzblau bezogenen Stehtischen liegen die ersten senfbeschmierten Pappteller, als um 12.15 Uhr ein Autokonvoi hält und FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache und sein Spitzenkandidat für die EU-Wahl, Harald Vilimsky, aussteigen.
Strache, in einer blauen Steppjacke, Jeans und Schal, steigt zuerst auf den Traktoranhänger, etwa eine halbe Stunde lang spricht er. Vilimsky steht neben der Blaskapelle, die Hände in den Hosentaschen seines Anzugs, wippt mit dem rechten Bein und hört zu. Er wird nach Strache sprechen, zehn Minuten lang; Strache wird keine Chance haben, ihm gleichfalls zuzuhören.
Wer der Star des FPÖ-Wahlkampfes ist, ist an diesem Tag nicht zu übersehen. Genauso wenig wie auf den FPÖ-Plakaten: Auf manchen von ihnen sind Strache und Vilimsky zu sehen, auf manchen nur Strache. Plakate mit Vilimsky alleine gibt es nicht. „Klar, Strache ist der Magnet Nummer eins“, sagt Vilimsky dazu. „Blöd wären wir, wenn wir die Person, die seit Jahren als Gesicht der Freiheitlichen bekannt ist, verstecken würden.“ Und er fügt noch schnell Kritik an SPÖ und ÖVP an, die genau das täten.
Auf dem Traktoranhänger in Mistelbach fordert Strache nun „mehr Netto vom Brutto“, das Publikum klatscht, Vilimsky fährt sich durch die Haare. Strache sagt über Migranten: „Wem’s ned passt, der soll wieder z’hausfahren“, das Publikum jubelt, Vilimsky beißt auf seiner Unterlippe herum. Strache zieht über Conchita Wurst her – „Wenn ana ned weiß, ob er Manderl oder Weiberl ist, soll er zum Psychotherapeuten gehen, nicht zum ORF“ –, das Publikum johlt, Vilimsky applaudiert. Er schiebt sich einen Kaugummi in den Mund, die Finger seiner rechten Hand spielen nervös miteinander, er kratzt sich an der Nase, zupft an seinem Sakko. Seine Lippen bewegen sich leicht, als würde er im Kopf noch einmal seine Rede durchgehen.
Dann bittet Strache Vilimsky auf die Bühne, ein zünftiger Handschlag, sieben Minuten vor eins. Vilimsky kritisiert den ORF, das Publikum klatscht, Strache signiert, umzingelt von Fans, Flyer und Broschüren. Vilimsky spricht über Ernst Strasser, Strache lässt sich mit seinen Anhängern fotografieren. Vilimsky sagt, man solle „der ÖVP in aller Deutlichkeit a Watsch’n geben“, die Menge verschiebt sich immer mehr in Richtung Strache. Vilimsky sagt, SP-Spitzenkandidat Eugen Freund habe sich beim ORF „die Taschen vollgestopft“, eine Mutter bückt sich zu ihrer kleinen Tochter herunter und fordert sie auf: „Geh schaun, ob du a Autogramm vom HC kriegst.“
In der FPÖ spielt Vilimsky schon lange eine wichtige Rolle – seit den 1990er-Jahren stieg er vom FPÖ-Pressesprecher zum Bezirksrat, zum Landesparteisekretär und schließlich zum Nationalratsabgeordneten und Generalsekretär der Partei auf. Aber so stark in der Öffentlichkeit gestanden wie jetzt ist er noch nie. Vor wenigen Wochen wurde er vom Listenzweiten zum Spitzenkandidaten befördert, nachdem sein Vorgänger Andreas Mölzer wegen seines „Negerkonglomerat“-Sagers und der Beleidigung des Nationalheiligen David Alaba seine Kandidatur zurückziehen musste.
Seit er allerorts von den Plakaten lächle, steige seine Bekanntschaft, sagt Vilimsky. Früher hätten ihn Leute oft erkannt, aber nicht zuordnen können, er habe Sätze gehört wie „I kenn di hundertprozentig, wir waren doch gemeinsam Ski fahren“ oder „Waren wir nicht zusammen in der Schule in Bruck an der Mur?“. Nun ändere sich das.
Darüber, dass er trotz Spitzenkandidatur im Schatten seines Parteichefs steht, scheint Vilimsky aber nicht nur unglücklich zu sein. Das Wahlkämpfen ist schließlich anstrengend. „Klar, einerseits ist es gut fürs eigene Ego, in der politischen Gewichtung zu steigen“, sagt er, „andererseits laugt es aus, 18 Stunden am Tag unterwegs zu sein. Wenn man nach Hause kommt, liegt man flach wie eine Flunder.“
Vilimskys Wahlkampfrhetorik unterscheidet sich kaum von der Straches: Der ORF benachteilige die FPÖ gegenüber den anderen Parteien, heißt es da, die Österreicher seien nicht mehr Herr im eigenen Land, die EU wolle das österreichische Volk unterjochen, die politische Konkurrenz nur sich selbst bereichern. Aber Vilimsky trägt seine Polemik in Mistelbach nicht halb schreiend, sondern mit recht sanfter Stimme vor. Auch sonst präsentiert er, der oft als Straches „Mann fürs Grobe“ bezeichnet wurde, die harten Inhalte in diesem Wahlkampf gern fast säuselnd.
Die meisten Menschen in Mistelbach finden Vilimsky „sympathisch“, viel mehr fällt kaum jemandem zu ihm ein. Wahrscheinlich ist das aber ganz egal, denn die Menschen hier wählen die FPÖ aus Überzeugung und wegen Heinz-Christian Strache. Wer neben Strache von den Plakaten lächelt, ist irrelevant.
Der ältere Mann in der Fleecejacke zum Beispiel, früher ÖVP-, in den 1980er-Jahren Grün-, jetzt FPÖ-Stammwähler. Fragt man ihn nach Harald Vilimsky, herrscht erst einmal Schweigen. „Ich kenn ihn zu wenig, um ein Urteil abzugeben“, sagt er dann. „Aber mir geht es weniger um Personen als um Inhalte. Ich bin weder Nazi noch Rassist, aber wenn ich vom Gehsteig runtersteigen muss, weil mir eine Türkin entgegenkommt, dann bin ich erschüttert.“
Ein paar Meter weiter lehnt an einem der blauen Stehtische Stefan, 26, Camouflage-Shirt, lange Haare, Bart, und freut sich: „I hob mit eam a bissl reden können und a Autogramm gekriegt.“ Mit wem? „Na mit dem HC.“ Der gelernte Industriekaufmann, der jetzt die Matura nachmacht, ist FPÖ-Wähler, „natürlich, immer schon“, aber um Harald Vilimsky zu sehen, wäre er nicht hierhergekommen. Der habe gut geredet, sei aber „mehr der Mensch für Gesetze, Taten, Fakten“, findet Stefan; Strache sei „mehr der Mensch für die Leute“.
Herr Vilimsky,…
…warum verbrennen Sie in Inseraten die EU-Fahne? Tun wir nicht, wir zeigen nur auf, wie sich die gefährliche Flamme des EU-Zentralismus in unsere Demokratie brennt
…der schönste Ort in Europa? Österreich
…der hässlichste Ort in Europa? Kein Ort ist so hässlich, dass er an den Pranger soll
…die drei besten Bücher über Europa? Das soll jeder für sich beurteilen
Falter, 14.5.2014
Alle EU-Wahlkampfreportagen:
1. Vom Bildschirm auf die Straße – unterwegs mit Eugen Freund (SPÖ)
2. Eine Grinsemaschine auf Tour – unterwegs mit Othmar Karas (ÖVP)
4. Die Sanfte und die Schrille – unterwegs mit Ulrike Lunacek (Grüne) und Angelika Mlinar (Neos)