Syrienflüchtlinge: Mit dem Asylbescheid alleine ist es nicht getan – Kommentar

Super, dass die Republik Syrienflüchtlinge aktiv nach Österreich holt. Super, dass sie einigen hundert unter den Millionen Menschen, die aus dem Bürgerkriegsland geflohen sind und in dessen Nachbarstaaten festsitzen, eine Perspektive bietet, dass sie ihnen die gefährliche Reise über das Mittelmeer und das zermürbende Asylverfahren erspart.

Super, dass sie nach der 2013 verkündeten ersten „Humanitären Aktion“ für 500 Syrer (bis Ende Mai waren 361 angekommen) nun eine zweite für weitere 1000 startet. Und super, dass sie aus der Kritik am ersten Programm (siehe Falter 23/14) zumindest ein klitzekleines bisschen gelernt hat:

Letzte Woche hat das Innenministerium die Details zum zweiten Kontingent verkündet. Die Kirchen mit ihren intransparenten Auswahlverfahren sind nur mehr für einen kleinen Teil der Vorschläge zuständig; via Formular auf bmi.gv.at soll jedermann von 23. Juni bis 7. Juli Personen direkt dem Innenministerium vorschlagen können; die bisher nur vage kommunizierten Auswahlkriterien hat das Ministerium ausformuliert (und festgelegt, dass „bei gleichem Schutzbedarf“ das First-come-first-serve-Prinzip gilt).

Gar nicht super ist hingegen, dass der Staat die Betreuung all jener Neuankömmlinge, die bereits Familie in Österreich haben, weiterhin an Privatpersonen delegiert. Die Bezahlung der Flüge, die Hilfe bei Behördengängen, die Wohnungs-, Job- und Deutschkurssuche: All das müssen auch in Zukunft die Angehörigen und die syrische Community übernehmen.

Sie sind von den Kosten und dem Behördendschungel völlig überfordert. Er habe zwei Monate lang fast jeden Vormittag mit Amtswegen verbracht, erzählte ein Betroffener dem Falter – und sein offensichtlich traumatisierter syrischer Schwager hatte auch nach vier Monaten im Land weder psychologische Betreuung noch einen Deutschkursplatz.

Indem sie die Neuankömmlinge sich selbst überlässt, tut sich die Republik nichts Gutes, auch wenn sie ein paar Euro spart. Der Staat hat die Syrer geholt, damit sie bleiben. Es ist also auch in seinem Interesse, dass sie schnell Deutsch lernen, sich zurechtfinden und zu arbeiten beginnen.

Wenn der Staat sich schon nicht aktiv um ihre Integration bemüht: Wie wäre es dann zum Beispiel mit einer Checkliste für die Angehörigen? Eine simple Auflistung: Welche Leistungen stehen den Neuen zu? Wann, wo, in welcher Reihenfolge müssen sie beantragt, welche Dokumente vorgelegt werden? Das ist wenig Aufwand, kostet fast nichts – und würde den Flüchtlingen und ihren Familien das Leben massiv erleichtern.

Falter, 18.6.2014

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