Proteste gegen „von oben her verordnete Vorschriften“ und „Zwangsmaßnahmen“ kommen immer gut an. Das wissen auch jene Lehrer und Uni-Professoren, die am Montag einen an Frauenministerin Gabriele Heinisch-Hosek (SPÖ) und Wirtschaftsminister Reinhold Mitterlehner (ÖVP) gerichteten offenen Brief gegen das geschlechtergerechte Schreiben publiziert haben. Darin tun sie so, als kritisierten sie Zwänge – dabei wollen sie Möglichkeiten abschaffen.
Etwa 360 Männer und 440 Frauen, darunter Promis wie der Philosoph Konrad Paul Liessmann, der Verfassungsrechtler Heinz Mayer und die Schauspielerin Chris Lohner haben den Brief unterschrieben. Wer ihn aufmerksam liest, stolpert bald nicht nur über Diktaturvergleiche, unbelegte Behauptungen und merkwürdig-entlarvende Formulierungen („Rückkehr zur sprachlichen Normalität“,“traditionsgemäße Anwendung“ von Sprache), sondern auch über Logikfehler.
Die Autoren vermischen – ob aus Schlampigkeit oder aus Kalkül – zwei Ebenen der Debatte.
Indem sie zu Beginn vom „unverständlichen“ Bundesgleichbehandlungsgesetz (als wären nicht gegenderte Gesetzestexte leicht lesbar) und von einer „durch den Frauenförderungsplan von oben her verordneten konsequenten getrenntgeschlechtlichen Formulierung“ sprechen, geben sie sich als Kämpfer gegen die Obrigkeit.
Wenige Absätze später aber heißt es, dass Gendern etwa „im Hinblick auf Kinder, die das sinnerfassende Lesen erlernen sollen“, problematisch sei und dass „ein minimaler Prozentsatz kämpferischer Sprachfeministinnen (…) nicht länger der nahezu 90-prozentigen Mehrheit der Staatsbürger ihren Willen aufzwingen“ dürfe.
Es geht den Verfassern also nicht nur um von oben verordnete Geschlechtergerechtigkeit, sondern sie wollen auch jene bekehren, die aus freien Stücken „gendern“. Formulierungen wie „Folgende (…) Verunstaltungen sind (…) aus dem Schreibgebrauch zu eliminieren“ sind entlarvend: Es sind die Autoren selbst, die anderen ihren Willen aufzuzwingen versuchen. Sie wollen nicht mehr, sondern weniger Freiheit in der Sprache.
Auch im Falter – und damit in diesem Text – gibt es übrigens prinzipiell kein Binnen-I, aus „ästhetischen Gründen“. Oft verwenden wir aus Platzmangel oder schlichter Schlampigkeit nur die männliche Form.
Den Stein der Weisen, der Lesbarkeit, Exaktheit und Kürze zusammenbringt, haben auch wir noch nicht gefunden. Die apodiktische Forderung, bestimmte Formen „zu eliminieren“, ist aber jedenfalls kein konstruktiver Diskussionsbeitrag.
Falter, 16.7.2014