„Was die ÖVP hier stark macht, ist ihre Unaufgeregtheit“

Hanno Loewy, Direktor des Jüdischen Museums Hohenems, über die Macht der Volkspartei und die Beschimpfungen der FPÖ

Drei Worte beendeten 2009 die 35 Jahre währende schwarzblaue Koalition in Vorarlberg: Als „Exiljuden aus Amerika“ hatte FPÖ-Landeschef Dieter Egger den in Deutschland geborenen Leiter des Jüdischen Museums Hohenems, Hanno Loewy, bezeichnet. Daraufhin flog er aus der Regierung. Am 21. September wählen die Vorarlberger den Landtag neu, Umfragen zufolge wird die ÖVP ihre absolute Mehrheit verlieren. Die FPÖ und vor allem die Grünen gelten als wahrscheinlichste zukünftige Koalitionspartner von ÖVP-Landeshauptmann Markus Wallner. Aus Anlass der Wahlen baten wir Hanno Loewy als aufmerksamen Beobachter des Geschehens, uns die derzeitige Lage im Ländle zu schildern.

Falter: Herr Loewy, können Sie uns Wienern Vorarlberg erklären?

Hanno Loewy: Es ist ein widersprüchliches Land: in mancher Hinsicht konservativ und provinziell, in anderer Hinsicht modern und weltoffen. Einerseits ist es hochindustrialisiert und ökonomisch gut aufgestellt und pflegt einen pragmatischen, unideologischen Umgang mit Fragen von Migration und Integration. In vielen modernen Betrieben gibt es traditionelle Führungsstrukturen mit Unternehmerpersönlichkeiten, die nah am eigenen Betrieb dran sind und dadurch auf Fragen des Marktes, aber auch auf die Veränderungen bei den Mitarbeitern flexibel reagieren können.

Und andererseits?

Gibt es wenig Frauen in Führungspositionen und eine traditionelle Familienpolitik, die sich erst langsam ändert. Und die Kehrseite des wohltuenden Pragmatismus ist die Intellektuellenfeindlichkeit. Die ist schon schwächer geworden, die Kulturszene ist in den letzten 30 Jahren explodiert, aber man merkt dem Land immer noch an, dass es keine Universität gibt.

Vorarlberg ist auch tiefschwarz, die ÖVP hatte seit 1945 fast durchgehend die absolute Mehrheit. Woran liegt das?

Die Arbeiterbewegung war hier immer schwach. Die Sozialdemokratie hat sich mit der ländlichen Struktur und dem Paternalismus, der in den Betrieben vorherrschte, schwergetan. Die zweitstärkste Partei waren hier stets die Blauen, nicht die Roten.

Und heute? Was macht die ÖVP hier richtig? Es heißt, sie sei pragmatischer und weniger ideologisch als die Bundespartei.

Das stimmt auch. Ihre Wirtschaftspolitik ist klassisch liberal. Aber sie hat kein Problem mit einer Bildungsreform, ihre Landwirtschaftspolitik hat ein paar grüne, ihre Bildungspolitik sozialdemokratische Seiten. In der Integrationspolitik ist sie offen für couragierte Konzepte, und auch kulturpolitisch ist sie mittlerweile liberal. Was die ÖVP stark macht im Land, ist eine gewisse Unaufgeregtheit: Anderswo würden Landeshauptleute Amok laufen und zu populistischen Parolen greifen, wenn sie in Gefahr sind, die Absolute zu verlieren. Wallner tut das nicht.

Landeshauptmann Wallner will nur mit FPÖ-Chef Egger koalieren, wenn der sich öffentlich für seinen „Exiljuden“-Sager entschuldigt. Egger sagt, er habe die Sache bereits mit Ihnen geklärt.

Das ist ein schlechter Witz. Wir haben miteinander geredet. Es zeigte sich, dass er offenbar immer noch kein Problem darin sieht, „Jude“ als Schimpfwort zu benutzen, und dass er nicht verstanden hat, dass man „Exil“ niemandem vorwerfen kann. Er hat nie ein Wort des Bedauerns geäußert. Das Gespräch hätte man sich sparen können.

Zur Person
Hanno Loewy, 1961 in Frankfurt am Main geboren, ist Literatur-und Filmwissenschaftler und Kulturanthropologe und leitet seit 2004 das Jüdische Museum Hohenems. Er ist Präsident der Association of European Jewish Museums. Im Landtagswahlkampf 2009 kritisierte er einen FPÖ-Slogan, woraufhin FPÖ-Chef Dieter Egger ihn als „Exiljuden aus Amerika in seinem hochsubventionierten Museum“ bezeichnete, den die Innenpolitik nichts angehe.

Falter, 10.9.2014

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