Leben im letzten Loch

Die alte Kaserne an der Augsburger Calmbergstraße gilt als das schlimmste Asylbewerberheim Bayerns. Seit Jahren wird über eine Schließung diskutiert, doch geschehen ist nichts. Ein Besuch.

Ein Backsteinklotz an einer sechsspurigen Ausfallstraße in Augsburg. Die Fenster sind von innen mit weißer Farbe bemalt, mit Holzplatten verbarrikadiert oder mit Stoff verhängt. Erklänge da nicht arabische Musik, man würde das Gebäude für unbewohnt halten.

Kaputte Decke im Gang des Heims Calmbergstraße. Foto: Dossier
Kaputte Decke im Gang des Heims Calmbergstraße. Foto: Dossier

Tatsächlich leben hier, in der ehemaligen Hindenburgkaserne an der Calmbergstraße, 145 Asylbewerber – viele schon seit Jahren. „Die größte Bruchbude, die Sie in Bayern finden können“, nennt Alexander Thal vom bayerischen Flüchtlingsrat das Gebäude. Nicht nur Hilfsorganisationen fordern schon lange seine Auflassung: Bereits 2010 verabschiedete der Augsburger Stadtrat einstimmig, aber folgenlos eine Resolution, wonach für das Heim „nur eine Schließung als Perspektive gesehen werden kann“.

Dusche im Heim Calmbergstraße. Foto: Dossier
Dusche im Heim Calmbergstraße. Foto: Dossier

Und auch in einer neuen Untersuchung der Wiener Investigativ- und Datenjournalismusplattform Dossier schneidet die Unterkunft katastrophal ab. Das Dossier-Team hat dutzende Asylbewerberheime in Österreich und Bayern besucht und mithilfe eines Kriterienkatalogs bewertet. In der Auswertung liegt die Calmbergstraße auf Platz 64 von 82 Heimen (die anderen drei besuchten bayerischen Heime liegen im Mittelfeld: Böbrach auf Platz 38, Schongau auf 42, Aholfing auf 44). In den Kategorie „Gebäude“ sei die Calmbergstraße unter den allerschlimmsten Heimen, sagt Peter Sim von Dossier: „Es ist baufällig, dreckig und heruntergekommen, und die Bewohner haben kaum Privatsphäre.“ Gäbe es nicht Pluspunkte für die städtische Lage, stünde das Heim noch schlechter da.

Waschbecken im Heim Calmbergstraße. Foto: Dossier
Waschbecken im Heim Calmbergstraße. Foto: Dossier

Wer durch die unauffällige weiße Tür ohne Türschild tritt und die Treppen in den ersten Stock emporsteigt, den empfängt ein Geruch nach Bahnhofsklo. In den Fluren bröckelt der Putz ab, Leitungen hängen quer über den Gang. In der Küche: weiße Fliesen, eine metallene Arbeitsfläche, zwei Spülbecken ohne Seife, zwei Elektroherde mit verkrusteten Kochplatten. „Scheiße“ sei es hier, sagt Karim, 24, … Weiterlesen auf sueddeutsche.de

Süddeutsche Zeitung, 16.1.2014

Disclaimer: Ich habe mit einigen der Kollegen von Dossier studiert und bin auch privat mit ihnen befreundet.

Von Bukarest in den Stadtpark

In Wien sind immer mehr Obdachlose zu sehen. Ist die Armutseinwanderung aus dem Osten schuld?

Die Linzer Caritas hat ihre Türen geschlossen. Ab 1. November dürfen Menschen aus den osteuropäischen EU-Ländern nicht mehr in die „Wärmestube“, ein Tageszentrum für Obdachlose. Selbst Kinder sollen abgewiesen werden.

„Wir können einfach nicht mehr“, rechtfertigt die Leiterin Michaela Haunold diesen Schritt: Seit zwei Jahren steige die Zahl der Menschen aus den neuen EU-Ländern, die die Wärmestube aufsuchen, massiv. Auf 60 von der Landesregierung geförderte Plätze kämen oft 200 Besucher pro Tag. Alle anderen Linzer Einrichtungen würden Osteuropäer schon seit langem abweisen, und in der Wärmestube sei man „nur mehr damit beschäftigt, Eskalationen zu verhindern“. Weiterlesen »

Lärm, Geplärr und ein paar Raufereien

Anrainer protestierten vor einem Jahr gegen die Eröffnung von Ute Bocks Flüchtlingsheim. Wie ist es heute?

Eine wütende Frauenstimme hallt durchs Treppenhaus. „Wenn der noch einmal so rausgeht, dann hol ich die Polizei“, flucht Ute Bock. „Der“ ist ein verwirrter Mann, der zuweilen in Unterhosen auf die Straße geht – der zurzeit schwierigste Klient der Flüchtlingshelferin. Er ist einer von 70 Flüchtlingen und Asylwerbern, die seit einem Jahr in der Zohmanngasse im zehnten Wiener Bezirk leben, im neuen alten Haus von Ute Bock.

Bis 1999 leitete Bock hier ein Gesellenheim, in dem sie schwierige Jugendliche betreute, darunter auch unbegleitete minderjährige Flüchtlinge. Nach einer Drogenrazzia, bei der Heimbewohner verhaftet wurden, wurde Bock suspendiert. Als sie Jahre später öffentlich machte, dass sie – inzwischen zur wichtigsten Flüchtlingshelferin der Nation avanciert – mit finanzieller Unterstützung des Bauunternehmers Hans Peter Haselsteiner zurückkehren würde, machten die Anrainer dagegen mobil. Unterstützt wurden sie von der FPÖ, die mit Stammtischen und hetzerischen Karikaturen Stimmung gegen sie machte.Weiterlesen »

Mariahilft

Die Gruft, der Jedmayer, das Aids Hilfe Haus: Die bekanntesten Sozialeinrichtungen der Stadt sind im sechsten Bezirk versammelt. Die Bezirksvorsteherin holt sie aktiv zu sich – zu schaden scheint ihr das nicht

Obdachlose. Drogensüchtige. Ex-Häftlinge. Punks. Aidskranke. Es sind Gruppen, denen die meisten Menschen im Alltag lieber nicht zu nahe kommen. „Gut, dass etwas gemacht wird“, denken viele, wenn eine neue Hilfseinrichtung geplant wird: „Aber bitte nicht vor meiner Haustür“.

„Nimby“ nennt man im englischsprachigen Raum diese Einstellung, „not in my backyard“. Sie wird zum Problem, wenn aus Angst vor aufgebrachten Anrainern kein Bürgermeister, kein Bezirksvorsteher Einrichtungen für Randgruppen aufnehmen will.

Auch in Wien versuchen die meisten Bezirksvorsteher, sich Problemgruppen vom Leib zu halten. Nur eine nicht: Renate Kaufmann, die rote Bezirksvorsteherin von Mariahilf.  Weiterlesen »

Der Substi-Streit

Österreich ist das einzige Land Europas, in dem Heroinsüchtige in großem Stil das Medikament Substitol bekommen – aber nicht mehr lange, wenn es nach der Innenministerin, der Polizei und manchen Medien geht. Ist Substitol wirklich so böse?

Vorsichtig öffnet der Apotheker die rotbraune Kapsel und leert den Inhalt in einen Plastikbecher: winzige weiße Kristalle, wie feucht gewordenes, verklumptes Salz sehen sie aus. Aber es kein Salz, sondern Morphinsulfat-Pentahydrat, ein Opiat, das ähnlich wirkt wie Heroin.

Unter dem Namen Substitol werden die Kapseln Süchtigen verschrieben, damit diese sich keinen Stoff auf der Straße kaufen müssen. Immer wieder sorgen die Ersatzdrogen für Empörung: Sie werden mit Schwarzmarkthandel, dealenden Ärzten und Todesfällen in Verbindung gebracht. Auch seriöse Zeitungen bringen Schlagzeilen wie „Heroinersatz: Das Millionengeschäft Drogensucht“ oder „Kassen finanzieren Schwarzmarkt für Ersatzdrogen“. Innenministerin Johanna Mikl-Leitner (ÖVP) forderte gar eine Einschränkung der Substitutionstherapie – und erntete einen Proteststurm.

Denn die Ersatztherapie ist eine Erfolgsgeschichte.Weiterlesen »