Die Schande von Pavillon 15

Noch in den 80er Jahren wurden am Ort der Nazi-Morde am Steinhof behinderte Kinder misshandelt. Eine Kinderkrankenschwester bricht ihr Schweigen

An ihrem ersten Arbeitstag wäre Elisabeth Pohl am liebsten davongelaufen. Es ist der 9. Dezember 1981, sieben Uhr früh, als die junge Frau in ihrem weißen Schwesternkittel ins Badezimmer von Pavillon 15 der Baumgartner Höhe tritt. Zehn Kinder liegen vor ihr, nackt, manche auf grünen Sportmatten, andere direkt auf den kalten Fliesen. Die Schwestern, Pohls neue Kolleginnen, heben die Kinder in die Badewanne und wieder heraus, trocknen sie mit einem Leintuch ab, stecken sie in blaue Latzhosen und binden ihnen die Arme an den Körper. Das Badewasser wechseln sie nur selten.

Elisabeth Pohl ist geblieben, fünf Jahre lang. Jetzt, drei Jahrzehnte später, erzählt sie erstmals von ihren Erlebnissen. Sie hat in den Zeitungen von der Psychiatrie-Untersuchungskommission im Jahr 2008 gelesen, von der Historikerkommission zu den Wiener Kinderheimen im Jahr 2012 und von der Wilhelminenberg-Kommission, deren Bericht demnächst veröffentlicht wird. Über die Misshandlung der behinderten Kinder und Jugendlichen am Steinhof ist bislang wenig an die Öffentlichkeit gedrungen. Weiterlesen »

Lärm, Geplärr und ein paar Raufereien

Anrainer protestierten vor einem Jahr gegen die Eröffnung von Ute Bocks Flüchtlingsheim. Wie ist es heute?

Eine wütende Frauenstimme hallt durchs Treppenhaus. „Wenn der noch einmal so rausgeht, dann hol ich die Polizei“, flucht Ute Bock. „Der“ ist ein verwirrter Mann, der zuweilen in Unterhosen auf die Straße geht – der zurzeit schwierigste Klient der Flüchtlingshelferin. Er ist einer von 70 Flüchtlingen und Asylwerbern, die seit einem Jahr in der Zohmanngasse im zehnten Wiener Bezirk leben, im neuen alten Haus von Ute Bock.

Bis 1999 leitete Bock hier ein Gesellenheim, in dem sie schwierige Jugendliche betreute, darunter auch unbegleitete minderjährige Flüchtlinge. Nach einer Drogenrazzia, bei der Heimbewohner verhaftet wurden, wurde Bock suspendiert. Als sie Jahre später öffentlich machte, dass sie – inzwischen zur wichtigsten Flüchtlingshelferin der Nation avanciert – mit finanzieller Unterstützung des Bauunternehmers Hans Peter Haselsteiner zurückkehren würde, machten die Anrainer dagegen mobil. Unterstützt wurden sie von der FPÖ, die mit Stammtischen und hetzerischen Karikaturen Stimmung gegen sie machte.Weiterlesen »

Mariahilft

Die Gruft, der Jedmayer, das Aids Hilfe Haus: Die bekanntesten Sozialeinrichtungen der Stadt sind im sechsten Bezirk versammelt. Die Bezirksvorsteherin holt sie aktiv zu sich – zu schaden scheint ihr das nicht

Obdachlose. Drogensüchtige. Ex-Häftlinge. Punks. Aidskranke. Es sind Gruppen, denen die meisten Menschen im Alltag lieber nicht zu nahe kommen. „Gut, dass etwas gemacht wird“, denken viele, wenn eine neue Hilfseinrichtung geplant wird: „Aber bitte nicht vor meiner Haustür“.

„Nimby“ nennt man im englischsprachigen Raum diese Einstellung, „not in my backyard“. Sie wird zum Problem, wenn aus Angst vor aufgebrachten Anrainern kein Bürgermeister, kein Bezirksvorsteher Einrichtungen für Randgruppen aufnehmen will.

Auch in Wien versuchen die meisten Bezirksvorsteher, sich Problemgruppen vom Leib zu halten. Nur eine nicht: Renate Kaufmann, die rote Bezirksvorsteherin von Mariahilf.  Weiterlesen »

Die Frau im Tor

Mit 16 hat Susanne Peter die Gruft mitgegründet. 26 Jahre später kämpft sie immer noch für Obdachlose

Wären die Schmalzbrote nicht gewesen, wäre Susanne Peter heute wohl Nonne. Gläubige Katholikin, Ministrantin, in der Pfarrjugend engagiert – sie hatte die besten Voraussetzungen für ihren Traumberuf. Aber da waren die Schmalzbrote, da war der Tee, und da war der Keller unter der Barnabitenkirche. Deshalb ist Susanne Peter, 42, heute keine Nonne, sondern eine Institution der Wiener Obdachlosenhilfe. Weiterlesen »

Mohnkampf

Ein Sikh verdächtigt eine Wiener Blumenhandlung, schwungvollen Handel mit halblegalen Drogen zu betreiben

Auf der hellgrünen Tür des Geschäfts, das angeblich Familien zerstört, klebt ein „Don’t worry, be happy“-Sticker. Ein Mann mit Turban betritt den Verkaufsraum, drückt dem Besitzer wortlos einen Zehneuroschein in die Hand, bekommt ebenso wortlos einen der prall gefüllten Säcke gereicht, die sich hinter dem Tresen stapeln, und ist schon wieder draußen.

Aus dem grauen Sack purzeln Dutzende hellbraune Kapseln – sie sehen aus wie etwas, das man bei einem Herbstspaziergang einsammelt. Wegen dieser Kapseln hat Sukhbir Singh dem Geschäft mit der hellgrünen Tür den Kampf angesagt. Weiterlesen »